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Als Lektorin kann ich einfach nicht wegsehen. Nein, nicht sozialpolitisch. In dieser Kolumne rede ich über meinen Lehrerblick. Denn dem fällt leider so einiges auf: auf Straßenschildern, Werbetafeln und sogar in Büchern.

Leerzeichen vor Satzzeichen? Aber klar!

Die Zeit im Zug ist selten spannend. Das ist auf der einen Seite sehr beruhigend, denn nach meiner letzten spannenden Zugfahrt (Madagaskar) hatte ich beschlossen, dieses Land nie wieder aus freien Stücken zu betreten. Auf der anderen Seite ist Langeweile, nun ja, langweilig. Da hilft auch die aktuelle Kampagne der Deutschen Bahn „Diese Zeit gehört dir” nicht wirklich. Klar: Wenn wieder 30 Minuten Verspätung zu entschuldigen sind, darf ich viel länger auf meinem Platz sitzen als eigentlich bezahlt, sozusagen für lau. Spannender wird es dadurch aber nicht und mit noch immer kostenpflichtigem Internet auf sowieso nur wenigen Verbindungen sollte man auf Bahnseite die forcierte Langeweile nicht auch noch promoten, aber was soll’s: Es gibt ja Bücher. Und die versprechen für gewöhnlich Entspannung ohne Langeweile. Es sei denn, man ist Lektorin.

Ehrlich: Wenn ich in meiner Freizeit lese, gebe ich mir Mühe, nur den Inhalt aufzunehmen. Ich will ja gar nicht arbeiten. Manchmal gelingt mir das auch. Nicht so jedoch bei meiner letzten Zugfahrt, für die mir meine kleine Schwester ein Jugendbuch lieh. Es versprach leichte, amüsante Lektüre – ein Traum! Bis ich bereits auf der ersten Seite feststellen musste, dass Autor und Verlag offenbar die Jugendkrankheit, vor Satzzeichen ein Leerzeichen zu setzen, noch weiter verbreiten wollten. Gefühlte Jahre hatte ich damit zugebracht, meiner Schwester genau diese Angewohnheit wieder auszureden, die bei ihr und ihren Freunden vor allem deshalb entstanden war, weil WhatsApp bei aktivierter Autokorrektur nach jedem Wort automatisch ein Leerzeichen einfügt, auch wenn danach ein Punkt folgt.

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Fragezeichen, Komma, Punkt: Das eine mit Leerzeichen, die anderen ohne

Das Buch vor mir nun schien einem mir bis dato unbekannten Kompromiss zu folgen, der zwar vor Punkt und Komma kein Leerzeichen vorsieht, dafür aber vor Ausrufungs- und Fragezeichen. Da stand also nicht „Ob es eigentlich so etwas wie Kinderalzheimer gab?”, sondern „Ob es eigentlich so etwas wie Kinder-Alzheimer gab ?” und ich traute meinen Augen nicht. Ich hielt mir das Buch ganz nah vor mein Gesicht, verglich die Stelle mit dem restlichen Schriftbild und blätterte ein paar Seiten vor. Das Ergebnis war so eindeutig wie peinlich. Da regte mich auch die Bindestrichschreibweise von Kinderalzheimer nicht mehr auf: Autor und Verlag schrieben ihre Vorbildfunktion allem Anschein nach vollständig in den Wind und krochen ihrer Zielgruppe sprachlich in den Allerwertesten.

Im weiteren Verlauf des Buches (ich hatte ja keine Wahl bei 5 Stunden Zugfahrt!) begegneten mir noch einige Tippfehler, ein weit verbreiteter Kommafehler und eine vollkommen falsche Zeitform, alles schwarz auf weiß und somit in den Augen der jungen Leser richtig. Auf die Rückfrage bei meiner Schwester bekam ich denn auch die zu erwartende Antwort, dass ihr die Leerzeichen nicht aufgefallen seien. Nein, natürlich nicht.

Die Regel:

  • Es steht kein Leerzeichen vor Komma, Punkt, Semikolon, Doppelpunkt, Bindestrich, Schrägstrich, Ausrufezeichen und Fragezeichen.
  • Vor einer sich öffnenden Klammer muss hingegen eines stehen (vor der sich schließenden wiederum nicht).
  • Ein Gedankenstrich ist vorne und hinten von einem Leerzeichen umgeben – so wie sich das gehört.