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Arbeitszeugnisse klingen meist viel zu gut, um wahr zu sein. Leider sind sie es oft auch nicht. Mit diesen Tricks lesen Sie wie ein Personaler.

Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 haben Arbeitnehmer in Deutschland Anrecht auf ein Arbeitszeugnis. Darin müssen mindestens die Personalien des Arbeitnehmers und die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses angegeben sein (einfaches Zeugnis), darüber hinaus besteht aber ebenfalls Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis, das Angaben zu Führung (d. i. Sozialverhalten) und Leistung enthält.

Stets zur vollsten Zufriedenheit?

Arbeitszeugnisse müssen wohlwollend formuliert sein, aber auch der Wahrheit entsprechen. Dies bringt viele Personaler in eine schwierige Situation. Denn wie soll man andere Arbeitgeber darauf hinweisen, dass man mit den Leistungen des Arbeitnehmers nicht zufrieden war, wenn man wohlwollend formulieren muss? Hier kommt der sogenannte „Geheimcode” ins Spiel. Gemeint sind bestimmte Verschlüsselungen, die es dem Arbeitgeber erlauben, Schlechtes positiv auszudrücken und sich so sogar innerhalb des Gesetzes zu bewegen.

Wer meint, „Herr Müller erledigte seine Aufgaben zu unserer Zufriedenheit” sei eine positive Beurteilung, der liegt also leider falsch. In Wahrheit gibt der Arbeitgeber seinem ehemaligen Untergebenen hier lediglich die Schulnote ausreichend. Selbst „Herr Müller erledigte seine Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit” ist nur eine 3. Wie muss das Zeugnis also formuliert sein, damit man sich erfolgreich für eine andere Stelle bewerben kann?

Praktische Tipps für das Lesen eines Arbeitszeugnisses

Als Faustregel gilt: Wenn man ob des schier unermesslichen Lobes fast errötet, ist das Zeugnis gerade gut genug. Wichtige Merkmale sind der Superlativ (also die höchste Steigerungsvariante) und so kleine Wörter wie „stets”, „immer”, „besonders”, „äußerst” und „jederzeit”. Eine sehr gute Beurteilung wäre also „Herr Müller erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit”, mit der Note gut würde folgende Formulierung bewertet werden: „Herr Müller erledigte seine Aufgaben zu unserer vollsten Zufriedenheit”.

Dasselbe Prinzip muss natürlich auch auf jeden anderen Satz der Führungs- und Leistungsbeurteilung angewandt werden. Eine klare 1 wäre zum Beispiel folgende Aussage: „Aufgrund seines umfangreichen und besonders fundierten Fachwissens erzielte er immer weit überdurchschnittliche Erfolge”, wohingegen „Er zeigte bei der Beschäftigung mit den ihm übertragenen Aufgaben das notwendige Fachwissen, das er wiederholt erfolgversprechend einsetzte” der Note 5, also mangelhaft, gleichkommt.

Auch die Schlussformel hat es in sich

Wenn ein sehr gutes Arbeitsverhältnis bestanden hat, erwarten viele Arbeitnehmer bei ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb eine dementsprechende Schlussformel. Doch hierzu ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet. Sätze wie „Wir bedauern seine Entscheidung und danken ihm für die stets sehr guten Leistungen” lesen sich zwar hervorragend, können aber nicht eingeklagt werden.

Zudem ist auch hier Vorsicht geboten, denn die erwünschte Schlussformel fällt nicht immer positiv aus. So sollte man vor allem bei Floskeln darauf achten, welche Aussage sie für einen potenziellen Chef bereithalten. „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg” bedeutet nämlich leider nichts weniger, als dass besagter Mitarbeiter im alten Unternehmen keinen Erfolg hatte. Erst wenn der Satz mit „weiterhin” aufgestockt wird („Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg”), ist er vorzeigbar.

Was tun bei einem schlechten Arbeitszeugnis?

Wenn das Zeugnis schlechter ausgefallen ist als erwartet, kann der Arbeitnehmer rechtlich dagegen vorgehen. Doch sollte man diesen Schritt gut vorbereiten, da in den meisten Fällen der Arbeitnehmer beweispflichtig ist. Erst, wenn der Arbeitgeber die Leistungen mit ausreichend oder mangelhaft bewertet hat, liegt die Beweispflicht bei ihm.

Anders liegt der Fall bei gesetzlich unzulässigen Aussagen. Hierzu gehören alle (oft verschleierten) Formulierungen, die sich auf die Teilnahme des Mitarbeiters an Streiks, der Inanspruchnahme von Mutterschutz, Krankheiten oder auch der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft beziehen. Gegen solche und ähnliche Erwähnungen kann von Arbeitnehmerseite jederzeit vorgegangen werden. Und auch bei formalen Mängeln ist der Arbeitgeber zur Berichtigung verpflichtet. Hierzu gehören unter anderem Rechtschreibfehler, knittriges Papier oder eine falsche Geschlechtsbezeichnung.

2 Kommentare

  1. Grundsätzlich sollte man, sofern man als Arbeitnehmer unzufrieden mit der Bewertung im eigenen Arbeitszeugnis ist, nicht direkt eine rechtliche Auseinandersetzung anstreben. Sinnvoller ist es, den Aussteller des Zeugnisses direkt z. B. per Mail oder mit einem Anruf zu kontaktieren und etwaige Mängel sachlich zu reklamieren und zu besprechen. Viele Arbeitgeber machen aus Unwissenheit unabsichtlich Fehler bei der Ausstellung von Zeugnissen. Eine rechtliche Auseinandersetzung sollte dann erst der Ausweg sein, wenn der Arbeitgeber sich gar nicht gesprächsbereit zeigt.

  2. Das Arbeitszeugnis klingt meist viel zu gut, um wahr zu sein. Das ist wahr! Sehr guter Beitrag. Meist lohnt es sich das Zeugnis zu prüfen und um Änderungen zu bitten. Die meisten Arbeitgeber kommen da einem entgegen. Wenn nicht, sollte ein Anwalt hinzugezogen werden.

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